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Stress als Verletzungsrisiko und der Einfluss auf die Genesung

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Ich habe hier einen sehr interessanten Artikel über Stress von einem unserer Coaches unserer Partnerwebsite Rowperfect aus dem Archiv gekramt und ein wenig aktualisiert. Wir schauen uns hier mal genauer an, welche Rolle Stress als Verletzungsrisiko haben kann und sprechen auch über den Einfluss mentaler Faktoren auf die Genesung.

Faktoren, die das Unfallrisiko beim Rudern erhöhen

Eine Wunde am Rücken von einem unerwarteten Bootsunfall oder eine schmerzhafte Stressfraktur einer Rippe durch Überbeanspruchung – Unfälle sind einfach unglückliche Vorfälle, die im Rudern praktisch überall passieren können. Die häufigsten Ursachen von Verletzungen entstehen durch äußerliche und körperliche Faktoren. Wir denken hier eigentlich immer sofort an körperliche Ursachen, wie muskuläre Disbalancen, übermäßiges Training oder Ermüdung.

Fast niemand denkt jedoch daran, dass auch psychologische Faktoren zu Verletzungen führen. Diese muss man verstehen, um Verletzungen effektiv vorzubeugen. Ein Gespräch zwischen Coach und Athlet ist immer dann hilfreich, wenn psychologische Probleme die Ursache sind.

Die Sportpsychologen Jean Williams und Mark Andersen erörtern in ihrem Artikel „A Model of Stress and Athletic: Prediction and Prevention“ (dt. Ein Modell für Stress und Athletik: Vorhersage und Prävention), dass die Beziehung zwischen Sportverletzungen und den psychologischen Faktoren meist stressbedingt ist. Eine potenziell stressige Situation im Sport, wie Wettkämpfe, wichtige Trainingseinheiten oder schlechte Leistungen können zu einer Verletzung führen.

Und ist der Unfall und eine Verletzung erstmal passiert, dann spielt der Kopf ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Genesung, gerade was die Geschwindigkeit einer Genesung angeht.

Stress als Verletzungsrisiko
Genesungsprozesse laufen immer sehr individuell ab

Jeder empfindet Stress, Verletzungen und auch die Verletzungsgefahr anders

Es kommt auf die Athleten selbst an, wie schwer sie ihre Verletzung einschätzen. Umstände, die als bedrohlich empfunden werden, erhöhen das Gefühl von Ängstlichkeit. Auch die Persönlichkeit, Geschichte der Stressoren und Bewältigungskompetenzen beeinflussen den Stressprozess und die Geschwindigkeit sich auszukurieren.

Ruderer, die sich psychologische Werkzeuge aneignen oder einen Coach haben, der empathisch ein Gespräch führen kann, sind da klar im Vorteil. Werkzeuge wären hier zum Beispiel: Atemtechniken, Visualisierungen und Entspannungstechniken. Im Allgemeinen deuten aktuelle Erkenntnisse darauf hin, dass Athleten, die mehr Stress in ihrem Alltag erleben, auch mehr Verletzungen haben. Für Trainer ist es wichtig ihrer Ruderer nach verändernden Lebensumständen oder Stress in ihrem Leben zu fragen, sodass sie deren Trainingsprogramme besser überwachen, anpassen und Unterstützung geben können.

Stress als Verletzungsrisiko – Stressbedingte Verletzungen

Zwei Punkte erklären die Rolle von Stress als Verletzungsrisiko relativ einfach.

Stressbedingte Ablenkungen:

Hierunter verstehen wir, dass Stress die Aufmerksamkeitsspanne eines Athleten beeinträchtigt, indem die periphere Aufmerksamkeit reduziert wird. Ein unter Stress stehender Skuller der vielleicht spät dran ist, übersieht leichter den näherkommenden Einer. Müsste er sich nicht so beeilen, wäre er vielleicht konzentrierter und würde das entgegenkommende Boot bemerken. Die Kollision wäre vermieden worden.

Übrigens: auch ein erhöhtes Level von Ängstlichkeit, Ablenkung und irrelevante Gedanken können zu stressbedingten Unfällen führen.

Hier mal ein Beispiel:

Wenn die Schlagfrau vor der ersten Ausfahrt noch joggen geht und darüber nachdenkt, wie das zweite Rennen am Tag laufen, wird sie dadurch abgelenkt. Sie schenkt der Straße keine Aufmerksamkeit mehr, knickt sich den Fuß an der Bordsteinkante um.

Stress erhöht die Muskelspannung

Eine andere Theorie bezieht sich auf erhöhte Muskelspannung. Hoher Stress geht mit einem Anstieg der Muskelspannung einher, der die Koordination beeinträchtigt und das Verletzungsrisiko erhöht.

Zur Veranschaulichung: zum Start eines Rennens kann ein nervöser Anfänger-Skuller im Bug eines Doppelvierers beim Ausrichten des Bootes mehr Muskelspannung verspüren als erwünscht. Es kann dann beim eigentlichen Start zu unkontrolliertem Schlag kommen. Dadurch erhöht sich auch die Verletzungsgefahr bei ihm und seinen Kollegen. Trainer müssen aufmerksam sein und ihr Team genau beobachten. Also liebe Coaches: Wenn ihr Teammitglieder seht, die hohe oder erhöhte Muskelspannung haben oder ungewöhnlichen Aufmerksamkeitsdefizite zeigen, sprecht die Ruderer an und findet die Ursache heraus.

Ein Sportler kennt keinen Schmerz!(?)

Einer der, gelinde gesagt, d*mmsten Sätze im Sport … So können Verletzungen gerade dann entstehen, wenn der Athlet einem Slogan wie „Kein Schmerz, kein Gewinn“ oder „Geht hart dran oder geht nach Hause“ nachkommen will. In dem Bemühen vom Trainer „belohnt“ zu werden, rudert ein Athlet schon mal, auch wenn er verletzt ist. Er geht damit ein Risiko ein. Einige Athleten glauben, dass sie mit Schmerzen trainieren können, weil „mehr immer besser ist.“ Bitte nicht! Dies kann zu chronischen Belastungen oder in leichteren Fällen zu Sehnenscheidenentzündungen führen. Hartes Training bereitet Unbehagen und das sollte es auch. Der Coach und auch der Athlet müssen dieses Unbehagen aber vorher definieren: Resultiert es in einer Verletzung? Oder ist es das Unbehagen mit dem erhöhten Trainingsvolumen verbunden? Oder tauchen Muskelschmerzen durch das aktuelle Training auf? Bitte denkt immer daran, dass wir automatisch unsere Bewegungen anpassen, um Schmerz zu vermeiden. Dadurch gewöhnt man sich unter Umständen sogar falsche Bewegungsabläufe an.

Die Verarbeitung von Verletzungen

Ist es trotz aller Vorsicht dennoch zu einer Verletzung gekommen, ist es wichtig auch hier eine positive Einstellung zu bewahren. Manche Menschen fühlen sich mit einer Verletzung wertlos. Sie haben Angst, aus dem Team geworfen zu werden, wenn sie nicht am Training teilnehmen. Nehmt den Sportlern die Angst. Athlet und Coach sollten über diese Situation sprechen. Sportler sollten ermutigt werden und ihnen die Angst genommen werden. Beides zusammen, verletzt zu sein und Angst zu haben, sorgt für weiteren Stress. Die emotionalen Reaktionen auf Verletzungen und Angst können Phasen der Verleugnung sein, aber auch Wut, Verzweiflung, Abkehr und Depression sein. Hier gibt es verschiedene Stufen der Verarbeitung, die wir uns hier mal genauer anschauen wollen:

  • Verletzungsrelevante Informationsverarbeitung: Der Verletzte bezieht Informationen wie Schmerz, das Ausmaß der Verletzung, Fragen dazu, wie es passiert ist, und Infos über die negativen Folgen.
  • Emotionales Umwälzen und reaktives Verhalten: Sobald das Individuum erkennt, dass er verletzt ist, kann er wütend werden, sich erschöpft fühlen und Isolation, Unglaube, Leugnung oder Selbstmitleid erfahren.
  • Positiver Ausblick und optimistische Bewältigung: Man akzeptiert die Verletzung, geht damit positiv um, zeigt eine gute Einstellung und will Fortschritte in der Genesung sehen.

Andere psychologische Reaktionen, die auf eine Verletzung folgen können, umfassen Identitätsverlust, der das Selbstbild betrifft, und Ängstlichkeit. Man ist voller Sorge, ob man sich erholen soll oder ob man vom Trainer ersetzt wird und möglicherweise seinen Platz im Boot verliert. Ebenso kann es zu mangelndem Selbstvertrauen führen, weil man nicht mitrudern kann und Trainingszeit verpasst.

Was tun, wenn die Genesung von Stress und Verletzung nicht reibungslos verläuft?

Rückschläge sind während der Genesung üblich. Sich über Gefühle mit anderen auszutauschen ist eine wichtige Quelle der sozialen Unterstützung, ebenso wie das Sprechen mit erfahrenen Athleten, die eine ähnliche Verletzung erlitten haben und dann erfolgreich zu voller Leistung zurückkehrten. Bei der Genesung sind die persönliche Einstellung, Lebenseinstellung, Stresskontrolle, soziale Unterstützung, positive Selbstgespräche, heilende Visualisierungen, Zielsetzungen und Überzeugungen wichtig. Athleten, die schnell heilen, sind gut bei ihren eigenen Zielsetzungen, führen positive Selbstgespräche und haben heilende Visualisierungen. Das unterstützt die Wichtigkeit von psychologischen Techniken im Heilungsprozess.

Heilungsstrategien

  • Das Festlegen von Zielen ist ein wichtiger Punkt und kann beispielsweise die Festlegung eines Datums für die Rückkehr zu Wettkämpfen sein. Oder die Planung der Behandlungen pro Woche und was der Therapeut machen wird.
  • Selbstgesprächsstrategien helfen einem Athleten, positiv zu bleiben und dem Behandlungsprogramm mit der Zuversicht treu zu bleiben, dass er zum Team zurückkehren wird.
  • Wenn ihr nicht rudern könnt, nutzt Visualisierungstechniken, um euch auf die Details eures Ruderschlages und des zukünftigen Rennplans zu konzentrieren oder die Heilung des verletzten Bereichs zu verbessern.
  • Verbringt Zeit mit dem Trainer, beobachtet eure Teamkollegen oder helft bei Trainingseinheiten aus. Fahrt dabei vielleicht auch einfach mal auf dem Motorboot mit.

Fazit – Stress kann nicht nur das Verletzungsrisiko erhöhen, sondern auch die Genesung verzögern

Psychologische Faktoren, wie Stress, können nicht nur zu einer erhöhten Verletzungsgefahr führen, sondern auch die Genesung verzögern. Wichtig ist auch nach einer Verletzung den Kopf nicht hängenzulassen, sondern aktiv an der Genesung zu arbeiten – nicht nur körperlich, sondern auch mental. Also, engagiert euch im Klub mit eurem Team und haltet euch in einer aktiven Umgebung auf, die euch dazu inspiriert, so schnell wie möglich wieder aktiv zu werden.

Originalbeitrag von:
Marlene Royle, RoyleRow und Masters Rudertrainer.

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