Was kostet der Rollsitz im Coastal Boat? Wir hören die Diskussionen über die hohen Kosten von Leihbooten. Was muss man an der Küste bezahlen um einen Solo oder einen Co2x zu leihen? Was kosten Leihboote an Coastal Regatten? Wir wollen dieser Frage einmal nachgehen…
Die “romantischen” Zeiten sind vorbei!
Ich kann mich an Zeiten erinnern, in denen ich einen C-GIG Vierer für 5 Euro/ Rollsitz ausleihen konnte. 20 Euro am Tag für 5 Personen. Nicht schlecht. Das Boot war von 1965, die Ruder aus den 70iger Jahren. Für eine Wanderfahrt wunderbar geeignet. Für den Verein war es eine gute Sache. Das Boot wurde sowieso nicht mehr gerudert – und als Staubfänger wurden dann in der Woche dafür 100 Euro erwirtschaftet. Wie aber sieht das mit Coastal Booten aus?
Leihgebühren an World Rowing Regatten
Nehmen wir mal die WM in Portugal oder die EM in Italien. Und nehmen wir an es kostet 100€ pro Sitz. Sind 100 Euro gerechtfertigt? Hätten es 150 Euro sein sollen oder nur 80? FISA stellt Poolboote von SWIFT oder Filippi. Beide sind FISA Bootsausstatter und stellen die Boote für die Regatta. Der Aufwand dies zu tun ist nahezu unbekannt. Als Sportler wollen wir nur die Boote zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Was das an Logistik und Kosten bedeutet, wissen die wenigsten.
Keine Bootswerft hat einfach mal 30 oder 40 Coastal Boote herumliegen. Um die Anzahl ausreichender Boote zu gewährleisten wurde einiges unternommen:
- Viele Hersteller haben im Vorfeld der Meisterschaften Europas Clubgelände abgegrast und geschaut, welcher Verein welches Boot zur Verfügung stellen kann. Da kam einiges Zusammen.
- Geplante Bootslieferungen wurden unterbrochen – Demo Boote wurden abgezogen, nur damit genügend Material am Regattaplatz war.
Hinzu kommt, dass die Boote nicht alle an einem Ort zu finden sind. So gibt es vielleicht 15 in Deutschland, 20 in Frankreich und 5 in Spanien. Das logistische Rad begann sich zu drehen. Es hat Wochen gedauert genügend Boote zur Regatta zu bringen.
Lohnen sich die Kosten und der Ertrag?
Geht man bei bei der Langstreckenregatta von 30 Booten mit mittlerer Sitzzahl von 3 Rollsitzen aus und multipliziert dies mit 10 Regattaeinsätzen, so kommt man mit einer simplifizierten Rechnung zu folgendem Umsatz:
30Boote x 3xRollsitze x 10 Einsätze x 100Euro = 90.000 Euro Umsatz. Demgegenüber stehen eine Woche Crew Hotels und Essenskosten, Crew Reisespesen und nochmal soviel für Reisen zur Bootsorganisation im Vorfeld. Material und Reparaturschäden von 5000 – 6.000 Euro sind nicht dabei. Damit sind wir wahrscheinlich bei einem Nullsummenspiel.
Dafür gibt es natürlich ein “Ja aber”. Die Hersteller haben ja auch Marketing davon und verkaufen mehr Boote. Sicher, die Hersteller sind sich sicher, dass durch den Werbeeffekt vor Ort und durch die Verteilung des Bildmaterials mehr Boote verkauft werden. Mag sein, dass diese Rechnung bei Swift und Filippi aufgegangen ist. Das sind die grossen Werften. Es war absolut von Vorteil die Championships in Hong Kong und Portugal zu sponsern. Was aber sagen die kleinen, mittleren Werften wie Leo, Rubenetti, RS oder Ave?
Regatten in Deutschland
Wir erwarten, dass in Deutschland die Preise für Leihboote an den Regatten anziehen. Vereinzelt kann man bereits sehen, dass Leihboote stationär für 60 Euro (100 Euro-Co2x) vermietet werden. Ist das überzogen? Nein, absolut nicht. Diese Boote sind in Schuss, entsprechen den erwarteten und geforderten Sicherheitsstandards und sind relativ neu.
Fiktive Regatta in Hamburg:
Mal ein Rechenbeispiel: Was Regatten betrifft haben wir das Dilemma, dass wir in Deutschland viele interessierte Küstenruderer haben, aber immer noch nicht genügend Küstenboote. Filippi, Coastal Boats und andere versorgen die Regattaplätze zwar mit Booten – doch sind diese meist immer noch knapp. Und lukrativ ist es für den Bootsausstatter auch nicht.
Für eine 500 km Fahrt von Köln nach Hamburg braucht es mit dem Trailer 6-7 Std. Die Zugmaschine braucht ca. 15-17 l Benzin. Nach ADAC Tabelle 2021 sind dies allein für die Anfahrt 400 Euro. Ohne Arbeitszeit. Das können sich nicht viele Firmen leisten. Nur zu verständlich, dass der DRV und die Landesruderverbände entschieden haben weiter Küstenboote zu kaufen. Sie nehmen damit Kosten aus der Logistikkette heraus und tragen ihren Anteil. Wir werden wohl in den nächsten Monaten immer mehr DRV oder LRV – Boote sehen.
Die Tabelle links veranschaulicht eine Kostenübersicht eines fiktiven Bootsherstellers, der aus Köln zu einer Regatta in Hamburg anreisen würde. Bei einer Kostenbeteiligung der Athleten / Ausrichter von 30€ pro Sitz und einem Bootsumschlag von 5 (10 Solo’s) würde sich folgendes Bild abzeichnen. Man kann davon ausgehen, dass die Hersteller pro Regatta ca. 2000-3000 Euro Kosten haben. Je nach Bootspark mehr oder weniger. Eine Beteiligung würde die Kosten deutlich senken aber nicht vollständig decken. Die Variablen die man zur Kostendeckung nutzen kann sind: Umlauf, höhere Gebühren oder mehr Bootsplätze. Letzteres hat dann aber Auswirkungen auf die Fixkosten des Bootsherstellers.
Ist eine Leihgebühr also angemessen? Es stellt sich immer die Frage ob die Veranstalter eine Leihgebühr berechnen sollen? Ein Team das 2-mal im Solo und im einmal im Co2x startet müsste somit 120 Euro zahlen. Ist das zu viel? Was meint Ihr?
Ob sich dieser Aufwand trotz Kostenbeteiligung für den Bootshersteller lohnt? Direkt wohl nicht. Es sind eher die Gespräche am Rande der Veranstaltung und mögliche Aftersales. Aber auch hier muss man realistisch bleiben. Um die Kosten zu decken – so unsere Einschätzung – müssen 3-4 Boote extra verkauft werden.